Der tätowierte Stier, Menagerie Ernst Malferteiner

Münchner Stadtmuseum

Beschreibung

Der Schausteller Ernst Malferteiner präsentierte 1905 auf dem Oktoberfest in München die Attraktion „Der heilige Stier von Benares“. Für seine Schau warb Malferteiner mit einem zweiteiligen Plakat, das eine diffamierende und stereotypisierende Darstellung des „Anderen“ enthält.

Bei dem im Zentrum der Menagerie stehenden Tier handelte es sich um einen zwergwüchsigen, tätowierten Albino-Stier. Um ein „authentisches“ Erlebnis für das zahlende Publikum zu schaffen, wurde die Gestalt aus der hinduistischen Mythologie laut Werbetext von einer „indischen Truppe, Tempeldiener[n] und Priesterinnen“ begleitet und ein rituelles Rahmenprogramm geboten. Die Inszenierung ähnelt in ihrer Gestaltung stark den sogenannten „Völkerschauen“, die in Deutschland nach der Reichsgründung 1871 aufkamen und auf immer mehr Volksfesten Einzug hielten.

Ziel der Darstellung auf dem Plakat war es, auf Anhieb bestimmte Assoziationen beim Festpublikum hervorzurufen und so vor allem zahlende Schaulustige zu akquirieren. Den Festgästen sollte schnell und eindeutig ein bestimmtes „Volk“ und deren „Kultur“ vor Augen geführt werden. Gleichzeitig wurde durch den Anschein des mystischen Elements einer „Beschwörung“ die Neugier geweckt, diese Schau zu besuchen.

Das Plakat greift die für die Zeit des Kolonialismus und Imperialismus gesteigerte Lust am „Exotischen“ und „Außergewöhnlichen“ auf. Die Stadt Benares (auch Varanasi), bekannt auch als „heilige Stadt des Hinduismus“, gehörte zu den sogenannten Fürstenstaaten Britisch-Indiens und steht damit im Kontext der britischen Kolonialherrschaft im 18. und 19. Jahrhundert.

Die menschlichen Statisten dieser von Rassismus geprägten Inszenierungen gerieten aufgrund ihrer unterprivilegierten Stellung und dem bestehenden kolonialen Machtgefüge in Abhängigkeiten. Oft führten finanzielle Motive dazu, dass sich ganze Gruppen aus den Kolonialgebieten für die Schauen in Europa anwerben ließen und sich vor Ort menschenunwürdigen Zuständen ausgeliefert sahen. Über die Herkunft und Motivation der Darstellerinnen und Darsteller der hier gezeigten Menagerie sind keine weiteren Informationen rekonstruierbar.