KulturErben. Die Tölzer Leonhardifahrt

Mit der Bitte an den Heiligen Leonhard von Limoges (6. Jahrhundert) um Segen für Hof und Vieh setzt sich jedes Jahr am 6. November in Bad Tölz in den frühen Morgenstunden eine Pferdewallfahrt in Bewegung. Etwa 80 Vierergespanne mit geschmückten Wägen ziehen unter Glockengeläut vom Tölzer Bäderviertel hinauf zum Kalvarienberg, wo die Leonhardikapelle umrundet und die Wallfahrerinnen und Wallfahrer mit ihren Pferden gesegnet werden. Die prächtig geschmückten Wägen (Truhen-, Tafel- und Motivwägen) reihen sich entsprechend der ausgelosten Zugfolge auf. Nach den Fanfarenreitern folgen die Mitglieder des Bad Tölzer Pfarrverbands, des Stadtrats und der Stadtkapelle. Die weiteren Wägen sind neben Fuhrmann und Praxer (Bremser), mit festlich gekleideten Wallfahrerinnen und Wallfahrern (Schalkfrauen, Jungfrauen, Schützen, Blaskapellen, Spielmannszüge, Trachtenkinder, Geistlichkeit, Würdenträger, Ehrengäste) besetzt.

Nach dem Festgottesdienst im Freien beginnt die Rückfahrt in die Stadt, wo gefeiert wird. Die Leonhardifahrt wird von den örtlichen Vereinen, der Stadt und dem örtlichen Pfarrverband getragen. Die Wallfahrt strahlt überregional aus und ist der zentrale Festtermin in Bad Tölz. Die Läden sind geschlossen, die Schulkinder haben den Tag frei. Am frühen Nachmittag lassen einige junge Burschen als "Goaßlschnalzer" in der Marktstraße ihre Peitschen rhythmisch erschallen.

Erste Belege für eine Wallfahrt in Tölz datieren auf das Jahr 1772. Ihre heutige Form erhielt die Leonhardifahrt 1856 durch den Ortspfarrer Joseph Pfaffenberger. Er kritisierte die Unordnung der vorherigen Wallfahrten und wollte den religiösen Charakter wieder mehr in den Mittelpunkt rücken. Gegen starke Widerstände in den ersten Jahren konnte die neue Ordnung schließlich durchgesetzt werden. Bis heute orientiert man sich bei der jährlichen Leonhardifahrt an der 1856 festgelegten Form. Dennoch gab und gibt es Anpassungen an neue Anforderungen (beispielsweise die Rolle der Pferde) und auch die Frage der grundsätzlichen Ausrichtung der Fahrt zwischen religiöser Wallfahrt und eventorientiertem Fest, das in Bad Tölz abgelehnt wird, sorgt für Diskussionen. Neben der Tölzer Leonhardifahrt sind Pferdewallfahren zu Ehren des Heiligen Leonhard von Limoges vor allem in Altbayern (1442 in Kreuth am Tegernsee urkundlich belegt) und Westösterreich verbreitet.

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Weitere Informationen: https://www.ike.bayern.de/verzeichnis/000216/index.html

>> Diese Sammlung ist ein Teil des Bestandes "KulturErben. Das Bayerische Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes" des "Institut für Volkskunde der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften"