Hocker der Wiener Postsparkasse

Die Neue Sammlung - The Design Museum

Beschreibung

Otto Wagner (1841–1918) zählt zu den wegbereitenden Architekten der Moderne. Sein Entwurf für die Wiener Postsparkasse (1904–1907 / 1910–1912) umfasst auch die Gestaltung der gesamten Inneneinrichtung. Er griff hierbei auf die neuesten technischen Errungenschaften zurück. Im Falle seines Hockers war dies das Mitte des 19. Jahrhunderts von Michael Thonet zur Perfektion gebrachte Bugholzverfahren; und hier besonders die rechteckige Biegung. Die Firma J. & J. Kohn hatte diese Technik um 1900 entwickelt, bei der aus einem Holzstab an der zu biegenden Ecke ein Dreieck herausgeschnitten wird, sodass sich die beiden Schnittseiten durch den Biegevorgang harmonisch zusammenfügen. Kohn hatte sich hiermit das Interesse der Wiener Avantgarde gesichert, wodurch die Firma für einige Jahre im Bereich des Möbeldesigns zu einer Vorreiterstellung gelangte. Doch wurde der Hocker sowohl von Kohn als auch den Gebrüdern Thonet produziert. Er besteht aus fünf braun gebeizten, gebogenen Buchenholzrahmen, die zu einem Kubus zusammengebaut sind. In den fünften der Rahmen ist eine perforierte Sitzfläche mit einer rechteckigen Aussparung eingelassen. Auffällig sind besonders die Kappen aus Aluminium – einem damals noch kaum verwendeten, innovativen Material –, die die Schrauben am Möbel verdecken. Wagner versinnbildlichte hiermit ein grundlegendes Gestaltungsprinzip der Moderne: Dass sich nämlich das Dekor eines Objekts ausschließlich aus dessen Konstruktion abzuleiten hat.