Paradewiege in der Residenz Ansbach, Schlafzimmer des Gästeappartements, R.20

Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen

Beschreibung

In herrschaftlichen Häusern gab es Wiegen sowohl für den Alltag als auch zur Repräsentation. Diese gehört eindeutig der zweiten Kategorie an.

Sie ist in Boulletechnik gearbeitet. Die Flächen aus rot unterlegtem Schildpatt werden durch Bandelwerk aus Zinn und schmalen Ebenholzstreifen so gegliedert, dass sie Rahmen für die fünf Emblemmedaillons an allen vier Wangen plus Kopfteil abgeben, die von Genien oder Putten aus graviertem Zinn präsentiert werden.

Erwähnenswert ist, dass sämtliche vergoldete Teile keine Beschläge, sondern geschnitzt sind. Das Blattwerk, das sich zu Voluten rollt, bedeckt die Oberseiten des sog. Querschwingers. Extravagant schmiegt es sich z.B. an die Beine, die sich damit passgenau in die Kufen einfügen, in deren Mitte ein weiblicher Maskaron mit Palmettenkrone und Blütenschmuck prangt.

Große Muscheln, deren hohle Innenseite nach außen und deren gewölbte Außenseite nach innen schaut, krönen Kopf- und Fußteil. Jenes wird noch durch eine Kartusche mit Emblem und Kurhut überhöht.

Die einzigen Metallteile an der Wiege sind die drei vorstehenden Knöpfe an den Längsseiten. An ihnen wurden Bänder kreuzweise befestigt, um das Kind vor dem Herausfallen zu bewahren.

Schade, dass der Baldachin der Wiege 1826/27 zur Reparatur von Ofenschirmen zweckentfremdet wurde. Dafür ist jetzt das Emblem, das die Aussage des ikonografischen Programms der Medaillons abrundet, von keinem Vorhang verdeckt.

Am Ansbacher Hof spielten auch Neugeborene eine Rolle im Zeremoniell. Sie präsentierten den Fortbestand der Dynastie, in diesem Fall die der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach.

In diesem Medaillon ist ein Adler mit seinen zwei Jungen zu sehen, wie sie alle drei in Richtung Sonne blicken. Zum einen ist der Adler Wappentier der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach, zum anderen ist mit dem Schriftband „D…nera“ (zu ergänzen: Degenerae – „Von Adel“) die Sonnenprobe der jungen Adler gemeint, bei der die Abstammung geprüft wird. Denn nur Adler können ohne Schaden in die Sonne schauen. Andere Lebewesen würden erblinden. Damit wird die edle Herkunft des Fürsten angedeutet. Auch der Symbolgehalt der Sonne stellt seit Ludwig XIV. höchste Rangansprüche dar.

Autor

Sabine Seibert

Rechtehinweis Beschreibung

CC BY-SA 4.0