Emanuel Geibel

Emanuel Geibel (1815-1884), Sohn eines reformierten Pfarrers in Lübeck, studierte zunächst Theologie in Bonn, bevor er sich der Philologie in Berlin zuwandte. 1838 nahm er auf Vermittlung Bettina von Arnims (1785-1859) und Friedrich Carl von Savignys (1779-1861) eine Hauslehrerstelle bei einem russischen Gesandten in Athen an.

Während seiner Zeit in Griechenland vertiefte sich die Freundschaft mit dem Altertumsforscher Ernst Curtius (1814-1896), mit dem er antike griechische Lyriker und Tragiker übersetzte ("Klassische Studien", 1840). Nach seiner Rückkehr veröffentlichte Geibel 1840 seinen ersten Band "Gedichte" im romantischen Volksliedton, der schnell zum Publikumserfolg wurde. Ende 1842 stellte ihm der preußische König Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861) eine lebenslange Pension aus. In den Folgejahren hielt sich Geibel überwiegend bei Freunden wie Ferdinand Freiligrath (1810-1876) und Moritz Graf von Strachwitz (1822-1847) auf. Mit seinen gegen die Vormärzpoesie gerichteten "Juniusliedern" (1848) stellte er sich auf die Seite des politischen Konservativismus.

1852 folgte Geibel einem Ruf König Max II. von Bayern (1811-1864) nach München, wo er eine Honorarprofessur für deutsche Literatur und Ästhetik übernahm. Neben Paul Heyse (1830-1914) wurde er bald zur Zentralgestalt der "königlichen Symposien" und der "Krokodile" (Vereinsname: 'Flußkrokodil'). Nach dem Kriegsjahr 1866 suchte Geibel wiederholt um seine Entlassung nach. Ein enthusiastisches Gedicht auf den preußischen König Wilhelm I. (1797-1888) führte schließlich zur Kündigung des bayerischen Ehrensolds, worauf er von Wilhelm ein Gnadengehalt erhielt. Als "Reichsherold" gefeiert und mit dem Ehrenbürgerrecht ausgezeichnet, lebte Geibel seit 1868 wieder in seiner Heimatstadt Lübeck, wo er 1884 starb.

Mit seinen virtuosen Stimmungsgedichten, klassizistisch-epigonalen Dichtungen und patriotischen Gesängen (u.a. "Zwölf Sonette für Schleswig-Holstein", 1846) war Geibel der erfolgreichste Lyriker seiner Zeit. Seine Gedichte schafften es auf über 3.600 Vertonungen. Naturgedichte und Liebeslieder blieben zwar dem Stimmungsgehalt der Romantik verbunden; seit dem Aufenthalt in Griechenland kamen aber auch klassizistische Tendenzen hinzu, wobei August von Platen (1796-1835) das Vorbild bildete.

Von den Dramen sind nur "Sophonisbe" (Schillerpreis 1869) sowie "Meister Andrea" (1855) zu nennen. Bedeutender sind Geibels Übersetzungen antiker und romanischer Verskunst (u.a. "Classisches Liederbuch", 1875).

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