Karikatur „Nicht schießen. Wir nehmen alles an“ (Simplicissimus, 24. Jg./H. 1, 1.4.1919)

Die Zeit nach den Ereignissen vom 21. Februar 1919 war in München geprägt von einer Verängstigung der bürgerlichen Parteien und einer Vorherrschaft der Räte. Auf dem Rätekongress war aber deutlich geworden, dass die Mehrheit der bayerischen Räte nicht gewillt war, eine Räterepublik nach russischem Vorbild einzuführen. Der Versuch, eine neue Regierung durch den Rätekongress zu bilden, war am Widerstand der Mehrheitssozialdemokraten gescheitert, die dessen Legitimität ablehnten. In dieser Pattsituation konnte schließlich der Mehrheitssozialdemokrat Johannes Hoffmann (1867-1930) mit den Landtagsparteien Anfang März in Nürnberg und Bamberg einen Kompromiss aushandeln: Der Landtag sollte sich konstituieren und eine neue Regierung wählen, sich danach aber wieder vertagen. Der Rätekongress nahm den Vorschlag an und durfte drei Vertreter zu den Kabinettssitzungen entsenden.

Um die Räte zu beruhigen, wurde eine Regierung aus MSPD, USPD und Bauernbund gebildet. Die bürgerlichen Parteien konnten diese nur tolerieren. Darüber hinaus sollte eine gesetzgeberische Funktion des Landtages vorläufig unterbleiben und mittels eines Ermächtigungsgesetzes die Regierung Hoffmann handlungsfähig bleiben. Nach zwei Sitzungstagen wurde der Landtag wieder vertagt. Der Druck der Straße verhinderte eine freie Debatte im Parlament. Den Abgeordneten blieb nichts anderes übrig, als den neuen Gesetzen zuzustimmen, und sie betonten diesen äußeren Druck auch in ihren Reden während der Sitzungen. Auch die Karikatur "Nicht schießen. Wir nehmen alles an!" verdeutlicht die Zwänge, unter denen der Bayerische Landtag sich am 17. März 1919 konstituieren musste. Die Zeichnung stammt von Erich Schilling (1885-1945) und erschien als Titelblatt der Satirezeitschrift "Simplicissimus".

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