Zeitgenössische Quellen und Quellensammlungen

art

Bereits die Zeitgenossen dokumentierten die Ereignisse der Revolution durch Quellensammlungen und Editionen. Teilweise sind diese bis heute für die wissenschaftliche Auseinandersetzung unentbehrlich geblieben. Gleichzeitig sind sie Zeugnisse, wie bestimmte gesellschaftliche Gruppen den revolutionären Umbruch wahrnahmen.

Die Quellensammlung von Franz August Schmitt und Max Gerstl

Die BVP-Zeitschrift "Politische Zeitfragen" publizierte noch 1919 zahlreiche Dokumente zur Revolution und Räterepublik in Bayern, die als Separatdruck in drei Büchern erschienen. Diese stellen noch heute eine zentrale Quellensammlung für die Zeit vom November 1918 bis zum Mai 1919 dar. Herausgeber waren Franz August Schmitt (1894-1956), später langjähriges Mitglied des Wirtschaftsausschusses der BVP und nach 1945 Verwaltungsdirektor des Bayerischen Rundfunks, und der Münchner BVP- und CSU-Politiker Max Gerstl (1883-1968).

  • "Die neue Zeit in Bayern" enthält Dokumente vom 8. November 1918 bis zur Ermordung Eisners und der Sprengung der Landtagssitzung am 21. Februar 1919.
  • "Die Zeit der zweiten Revolution in Bayern" dokumentiert die Entwicklung zwischen dem 21. Februar 1919 bis zur Bildung der Regierung Hoffmann I am 17./18. März 1919.
  • "Die Münchener Räterepublik" bringt die Quellen zum April und Mai 1919.

Alle drei Bände enthalten die Dokumente in chronologischer Anordnung, erschlossen durch ein Register (bei Schmitt: Inhaltsverzeichnis).

Franz August Schmitt

Die neue Zeit in Bayern
Sonderabdruck aus "Politische Zeitfragen" Nr. 5-9.

München 1919

Franz August Schmitt

Die Zeit der zweiten Revolution in Bayern
Sonderabdruck der "Politischen Zeitfragen", Nr. 14, 16 und 17

München 1919

Die Münchener Räte-Republik

1919
  • Gerstl, Max
  • München

Sammlungen von Flugblättern zur Münchner Räterepublik

Die bayerische Staatsbibliothek verwahrt im Bestand "Historiae universalis appendix" (H.un.app.), einem Spezialfach, das Bücher über den Ersten Weltkrieg enthält, drei Sammlungen von Flugblättern und Flugschriften zur Münchner Räterepublik.

Die in diesen drei Sammlungen nach Formaten zusammengebundenen Aufrufe und Anschläge stammen vorwiegend aus dem April 1919, einzelne auch aus den Monaten davor und dem Mai 1919. Überwiegend sind die Auseinandersetzungen um die Räterepublik dokumentiert: Es dominieren Propagandaflugblätter von Räteanhängern und der Regierung Hoffmann sowie Aufrufe zum Beitritt in die Rote Armee, die regierungstreue Volkswehr oder in Freikorps. Auch der Einmarsch württembergischer Truppen und der Verlauf der Kämpfe um München schlagen sich nieder. Die Flugblätter dokumentieren darüber hinaus auch weitere Auseinandersetzungen, wie Streiks und Fragen der Sozialisierung. Einige zeigen offene antisemitische Tendenzen. Aufschlussreich sind ferner die handschriftlichen Vermerke. Aussagen wie "Aus Auto geworfen" oder "Fliegerabwurf" erlauben es, die Nachrichtenübermittlung in dieser Bürgerkriegssituation nachzuvollziehen.

Die Flugblätter und Flugschriften betreffen vor allem München und den Aufmarschraum der Regierungstruppen im Westen und Norden der Stadt. Nordbayern, Niederbayern und das östliche Oberbayern sind nur wenig repräsentiert. Eine Reihe von Flugblättern entstand in Landsberg am Lech oder wurde dort gesammelt. Sie erweisen sich durch eine Schenkungsnummer (G.n. 1692) als ein Geschenk des späteren Direktors der Universitätsbibliothek München, Adolf Hilsenbeck (1873-1947), der zwischen 1896 und 1925 an der Bayerischen Staatsbibliothek tätig war.

Sammlung von Flugblättern

betreffend die Münchener Räterepublik 1919, [Drucksachen in Oktav]

[Ort wechselnd] 1919

Sammlung von Flugblättern

betreffend die Münchener Räterepublik 1919, [Drucksachen in Quarto]

[Ort wechselnd] 1919

Sammlung von Flugblättern

betreffend die Münchener Räterepublik 1919, [Drucksachen in Folio]

[Ort wechselnd] 1919

Das Wirtschaftsprogramm von Silvio Gesell

Nachdem bereits die Regierung Eisner und die Regierung Hoffmann I mit Planungen zur Sozialisierung begonnen hatten, erreichten diese Bestrebungen in der Zeit der ersten und zweiten Münchner Räterepublik eine neue Qualität.

Der Volksbeauftragte für Finanzen, Silvio Gesell (1862-1930), versuchte ab dem 7. April 1919, sein Freiwirtschaftsprogramm zu verwirklichen. Mittels einer "absoluten Währung" sollte das Problem der Geldentwertung gelöst werden. Die Ausrufung der zweiten kommunistischen Räterepublik am 13. April 1919 verhinderte jedoch die Umsetzung seines Programms, obwohl Gesell noch einige Tage im Amt blieb. Sein am 15. April 1919 vorgeschlagenes "proletarisches Aktionsprogramm" mit einer großen Vermögensabgabe wurde nicht umgesetzt.

Der mit ihm zusammenarbeitende Carl Polenske (1876-1956) veröffentlichte noch 1919 eine Sammlung von 15 Dokumenten zur Tätigkeit Gesells.

Karl Polenske (Hg.)

An Alle! Das proletarische Finanz- und Wirtschafts-Programm des Volksbeauftragten der bayerischen Räterepublik Silvio Gesell

Berlin-Steglitz 1919

Zerstörung des Wirtschaftslebens Münchens

Die Münchner Handelskammer bilanzierte auf ihrer Sitzung am 9. Mai 1919, also wenige Tage nach dem Ende der Räterepublik, die wirtschaftlichen Folgen des Aprils 1919. Wie nicht anders zu erwarten, fiel die Bilanz vernichtend aus. Undifferenziert wurde dabei von "Kommunistenwirtschaft" gesprochen, obwohl die KPD erst am 13. April mit der zweiten Räterepublik die Geschehnisse bestimmt hatte.

Gleichwohl bietet der separat aus dem Sitzungsprotokoll publizierte Bericht einen informativen Einblick in die wirtschaftlichen Probleme, welche die Räteherrschaft mit sich gebracht hatte. Genannt werden unter anderem die Einstellung des Postverkehrs, das Ausbleiben des Kohlennachschubs, Generalstreiks, Arbeitslosigkeit, Eingriffe in das Bankwesen, Liquiditätsprobleme, Hunger, Warenknappheit sowie die Unterbrechung des Wohnungsbaus. Der anonyme Berichterstatter äußerte die Ansicht, dass die allgemein schwierige wirtschaftliche Lage Münchens ohne kaufkräftiges Hinterland, mit schlechter Verkehrsanbindung und hohen Lohn- und Transportkosten durch die Räteherrschaft noch weiter verschlechtert worden sei.

Handelskammer München (Hg.)

Die Zerstörung des Wirtschaftslebens Münchens durch die Kommunistenwirtschaft 8. bis 30. April 1919

München 1919

Hofmiller: Revolutionstagebuch

Dr. Josef Hofmiller (1872-1933), im Hauptberuf Lehrer, gehörte 1904 zu den Mitbegründern der konservativen Kulturzeitschrift "Süddeutsche Monatshefte". Hofmiller ist bis heute als brillanter Essayist bekannt. Im August 1918 begann Hofmiller unter dem Eindruck der sich verschärfenden politischen Situation mit Tagebuchaufzeichnungen, die er bis Juli 1919 fortführte. Er veröffentlichte sie aber erst zwischen Herbst 1932 und Februar 1933 in den Münchner Neuesten Nachrichten. Die vollständige Ausgabe besorgte 1938 seine Witwe Hulda Hofmiller (1890-1981).

In Hofmillers Revolutionstagebuch schildert ein stilsicherer Schriftsteller die Münchner Vorgänge 1918/19 unter dem Eindruck des unmittelbaren Erlebens. Schilderungen des Alltagslebens inklusive der Wiedergabe der zahlreichen Gerüchte wechseln ab mit reflektierenden Passagen. Die Ereignisse und Protagonisten, insbesondere Kurt Eisner, sieht Hofmiller äußerst kritisch, ohne allerdings die bisherigen Machthaber zu glorifizieren. Das Tagebuch, das ein resignierter Grundton prägt, erlaubt damit einen Einblick, wie das Münchner Bürgertum die Revolution erlebte.

Literatur:

Josef Hofmiller

Revolutionstagebuch 1918/19. Aus den Tagen der Münchner Revolution
(Josef Hofmillers Schriften 2)

Leipzig 1938

Br. Marianus: Das Gnadenbild U.L. Frau von Altötting auf der Flucht

Während von Norden und Westen Regierungstruppen und Freikorps auf München vorrückten, unternahmen noch Ende April 1919 Rotarmisten Vorstöße in den Süden und Osten der bayerischen Landeshauptstadt. Einer dieser Ausfälle führte in Richtung Mühldorf, das am 25. April besetzt wurde, und Altötting, wo die Rotarmisten in der Nacht vom 25. auf den 26. April eintrafen und den Ort bis zum 28. April besetzt hielten. Angesichts des bevorstehenden Einfalls wurde eine Schändung des symbolträchtigen Altöttinger Gnadenbilds durch die Rotarmisten befürchtet. Der Altöttinger Pfarrer Franz Xaver Konrad flüchtete daher mit dem Gnadenbild in der Nacht vom 24. auf den 25. April aus Altötting. Über Eggenfelden und Vilshofen gelangte das Gnadenbild nach Passau, wo es am 27. April zunächst im Kloster Niedernburg und ab 10. Mai im Dom zur Verehrung aufgestellt wurde. Nach der Stabilisierung der politischen Lage kehrte das Gnadenbild am 29. Mai über Simbach nach Altötting zurück, wo es am 31. Mai 1919 feierlich empfangen wurde.

Unter dem Namen Bruder Marianus veröffentlichte der Altöttinger Kapuziner P. Cyprian Fröhlich (1853-1931) noch 1919 eine detaillierte Beschreibung von Flucht und Rückkehr des Gnadenbildes. Ergänzt wird die Publikation durch drei Predigten des Passauer Bischofs Sigismund Felix von Ow-Felldorf (1855-1936). Das seit 1906 amtierende Diözesanoberhaupt reflektierte dabei zum Teil ausführlich über die Ereignisse seit dem November 1918 (vor allem in der Predigt vom 29. Mai 1919 "Der Kampf zwischen den hochmütigen Fürsten dieser Welt und der demütigen Magd des Herren"). Über den lokalgeschichtlichen Bezug hinaus sind die Beschreibung und die Predigten Zeugnisse, wie der bayerische Katholizismus die Umwälzungen der Jahre 1918/19 interpretierte.

Literatur:

  • Eduard Baumann, Als vom Rathaus die rote Fahne flatterte, in: Oettinger Land 16 (1996), 106-119.

Bruder Marianus (= P. Cyprian Fröhlich)

Das Gnadenbild U.L. Frau von Altötting auf der Flucht und im Triumphzug. Als Beilage drei Marien-Predigten des Hochwürdigsten Bischofs von Passau Sigismunds Felix von Ow

Altötting 1919

Der Geiselmord in München

Größte publizistische Aufmerksamkeit fand der sog. Geiselmord im Luitpold-Gymnasium. Kurz vor Ende der Räterepublik wurden am 30. April 1919 zehn Gefangene erschossen, größtenteils Mitglieder der Thule-Gesellschaft, die wenige Tage zuvor festgenommen worden waren. Noch 1919 erschien eine Reihe von Darstellungen zum "Geiselmord", von denen hier eine dokumentiert wird. Sie basiert u. a. auf der Anklageschrift der Münchner Staatsanwaltschaft aus dem Prozess gegen die Täter vor dem Münchner Volksgericht im September 1919.

Literatur:

Der Geiselmord in München

Ausführliche Darstellung der Schreckenstage im Luitpold-Gymnasium nach amtlichen Quellen

München 1919

Die Prozesse gegen die Attentäter des 21. Februar 1919

Am Vormittag des 21. Februar 1919 erschoss Anton Graf von Arco-Valley (1897-1945) Ministerpräsident Kurt Eisner (1867-1919), der sich auf dem Weg zur Eröffnung des neu gewählten Landtags befand. Beim Eintreffen der Nachricht von der Ermordung Eisners vertagte sich der Landtag um eine Stunde auf 11 Uhr. Wenige Minuten nach der Wiederaufnahme der Sitzung begann Alois Lindner (1887-nach 1943), ein Mitglied des Revolutionären Arbeiterrats, eine Schießerei, bei der u. a. SPD-Innenminister Erhard Auer (1874-1945) schwer verwundet und mehrere andere Anwesende getötet wurden. Die beiden Attentate des 21. Februar 1919 beeinflussten die weitere politische Entwicklung Bayerns entscheidend, da sie maßgeblich zur Radikalisierung breiter Bevölkerungsteile beitrugen. Mit Kurt Eisner verlor die Revolution ihre bisher prägende Gestalt; die Sprengung der Landtagssitzung verhinderte die Bildung einer neuen Regierung.

Für die juristische Aufarbeitung der Attentate waren die Volksgerichte zuständig, also die von 1918 bis 1924 bestehende politische Sonderjustiz in Bayern. Die Volksgerichte fällten eine Reihe skandalöser Urteile. Beide Verfahren fanden vor dem Münchner Volksgericht unter dem Vorsitz von Georg Neithardt (1871-1941) statt, der durch sein mildes Urteil im Hitler-Ludendorff-Prozess bekannt wurde.

Der Prozess gegen Alois Lindner und weitere Mitangeklagte fand vom 9. bis 15. Dezember 1919 statt und endete für Lindner mit einer mehrjährigen Zuchthausstrafe. Das Gericht sah allerdings keinen Anhaltspunkt dafür, dass es sich um ein langfristig geplantes Attentat radikaler Kreise auf den revolutionskritischen Innenminister Erhard Auer (SPD) gehandelt hätte. Im Rahmen des Prozesses wurde die Rolle Auers zwischen November 1918 und Februar 1919 mehrfach thematisiert. Im SPD-nahen Birk-Verlag erschien daher bereits 1919 eine ausführliche Dokumentation des Prozesses, die in einer längeren Einleitung die Vorgeschichte der Attentate und der Räterepublik aus SPD-Perspektive schildert.

Gegen Graf Arco verhandelte das Volksgericht am 15. und 16. Februar 1920 und verurteilte ihn wegen Mordes zum Tode. Die von SPD und BVP getragene Regierung Hoffmann II wandelte das Urteil aber am 17. Februar 1920 in eine lebenslange Festungshaft um. Eine Dokumentation erschien noch 1920 im Münchner Lehmannverlag, einem der führenden Verlage für nationalistisches und rassistisches Schrifttum. Das hier digitalisierte Exemplar trägt auf der Titelseite einen Besitzvermerk von "Dr. Buttmann". Dr. Rudolf Buttmann (1885-1947), damals Landtagsbibliothekar, war später Vorsitzender der NSDAP-Fraktion im Bayerischen Landtag und von 1935 bis 1945 Generaldirektor der Bayerischen Staatsbibliothek.

Literatur:

Die Attentate im Bayerischen Landtag

Der Prozeß gegen Alois Lindner und Genossen vor dem Volksgericht München

München 1919

Hans von Prackh (Hg.)

Der Prozeß gegen den Grafen Anton Arco-Valley, der den bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner erschossen hat

München 1920