Rund um die Theresienwiese

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Es liegt in der Natur eines Festes, dass es selbst über die Zeiten hinweg kaum Spuren hinterlassen hat. Buden, Fahrgeschäfte und Staffagen wurden im Laufe der Jahre immer wieder erneuert, Süßigkeiten, Essen und vor allem Bier zeitnah konsumiert. Für die Spezialsammlung einer Bibliothek gilt das noch viel mehr, denn offizielle Druckwerke haben auf einem Fest wie der Wiesn kaum ihren Platz gehabt; Plakate, Eintrittskarten, Lose, Hefte und Broschüren wurden im 19. und frühen 20. Jahrhundert kaum gesammelt.

Die folgenden Objekte bilden insofern nicht mehr als zufälliges Streugut, das sich in den Beständen der Bayerischen Staatsbibliothek erhalten hat. Insbesondere ist hier ein kleinerer Bestand von Broschüren, Plakaten und einer Eintrittskarte zu nennen, der von einem oder mehreren unbekannten Bibliothekaren in den Jahren 1881-1935 in Eigeninitiative zusammengetragen und der Bibliothek geschenkt wurde (Signatur: 4 Bavar. 700 l,C-1/11).

Die Theresienwiese

Das weiträumige Areal am Fuße der Sendlinger Höhe (heute Schwanthalerhöhe), auf dem 1810 das erste Oktoberfest stattgefunden hatte, gehörte verschiedenen Grundbesitzern, vor allem verschiedenen Münchener Familien. Bereits in den Jahren um 1820 musste die Stadt München deswegen immer wieder Grundstücke ankaufen, um einen reibungslosen Festbetrieb aufrechterhalten zu können. Man konzentrierte sich hierbei zunächst auf die schon früh von Bebauung bedrohten nördlich gelegenen Teile des Geländes, um das Oval der Rennstrecke gewährleisten zu können.

Bis um 1880 waren aber beileibe noch nicht alle Grundstücke, die das Gelände der heutigen Theresienwiese ausmachen, im direkten oder indirekten städtischen Besitz. Der Ankauf noch fehlender Grundstücke wurde dabei zunehmend schwieriger, die Verhandlungen eskalierten soweit, dass einige Besitzerfamilien ihre Grundstücke demonstrativ einzäunten. Erst zwischen 1884 und 1886 gelang es der Stadt, durch Ankauf, Tausch und der Bebauungserlaubnis auf den Geländestücken außerhalb des zeitgleich angelegten Bavariarings die Theresienwiese in ihrer heutigen Ausdehnung vollständig in ihren Besitz zu bringen und damit ihre Grenzen festzuschreiben.

Das seltene und von der Forschung bislang kaum beachtete Flugblatt zum Oktoberfest 1881 zeigt einen Plan der damals in einer gemeinsamen Aktion von den Besitzern umzäunten und damit dem Festbetrieb entzogenen Geländestücke. Das auf der Rückseite abgedruckte Liedgedicht richtet sich dabei weniger gegen die Ankaufbemühungen der Stadt München an sich, sondern gegen den Kaufpreis: statt 20 Pfennig je Schuh (hier: 291,86 mm im Quadrat) Grund wird eine (Gold-)Mark gefordert.

Auf einem zweiten Exemplar des Flugblattes wurden mit Tinte die umzäunten Grundstücke weiter unterteilt und die Namen der Besitzerfamilien eingetragen.

Die Einzäunung auf der Theresienwiese

[1881]
  • [München]

Die Einzäunung auf der Theresienwiese

[1881]
  • [München]

Pferderennen

Von 1810 bis 1913 bildeten die Pferderennen den Höhepunkt der Oktoberfeste, wobei sich aus dem einen Rennen von 1810 im Lauf der Zeit ein immer ausdifferenzierteres Programm bildete. So fand von 1818 - 1875 ein zweites Rennen statt, 1847 - 1855 und 1864 - 1913 kamen ein, von 1902 bis 1906 sogar zwei Trabrennen dazu, seit 1867 mit verschiedenen Unterbrechungen auch noch Trabrennen mit dem Sulky.

Das Oval der Rennbahn, auf der diese Rennen stattfanden, zog sich bei allen Abweichungen in der Anlage stets um den Rand der Theresienwiese herum; Tribünen mit Sitzplätzen waren die Ausnahme, die meisten Zuschauer standen. Lediglich zuletzt fünf Tribünen und das Königszelt boten ausgesuchten Gästen Sitzplätze - ein offener Kartenverkauf fand nicht statt. Die Anlage der vier Magistratischen (=städtischen) Tribünen wurden dabei stets gegenüber dem Königszelt am Hang zur Schwanthalerhöhe - unterhalb der Anlagen des ehem. Messegeländes - aufgeschlagen; sie dienten auch bei diversen Veranstaltungen im Königszelt als Aufstellungsort für Chöre und Orchester. Neben diesen städtischen Anlagen gab es noch eine kleinere "landständische" Tribüne für Parlament und Regierung, die sich links neben dem Königszelt befand.

Anders als bei den meisten erhaltenen Eintrittskarten zu den Pferderennen auf der Theresienwiese ist das vorliegende Exemplar entwertet, wurde also wirklich verwendet. Sie war für das klassische Hauptrennen des Oktoberfestes 1904 bestimmt.

Eintritts-Karte zur Magistratischen Tribüne III, Sitzplatz No. 000026 für Sonntag, den 2. Oktober cr. : Oktoberfest 1904

[1904]
  • [S.l.]

Gastronomie

Der Metzgermeister Johann Rössler hatte eine Vorrichtung erfunden, die das Braten eines ganzen Ochsens am Spieß erlaubte. Zusammen mit seinem Geschäftspartner A. Schibanek nahm er damit erstmals 1881 am Oktoberfest teil. Die Ochsenbraterei war dabei nicht nur ein kulinarisches Angebot; der Ochs am Spieß war spektakulär genug, dass allein dafür Eintritt verlangt wurde.

Die beiden hier präsentierten Plakate stammen vom Oktoberfest 1882; sie entsprechen im Typus aber den erhaltenen Plakaten des Vorjahres. Die Abbildung des einen Plakats zeigt die damals noch freistehende Bratstätte mit Bratherd, Anrichte und Serviertheke. Erst ab 1897 glich sich die Ochsenbraterei Rössler durch die Errichtung einer Halle den großen "Bierburgen" auf dem Oktoberfest an.

Auf der Theresienwiese: das Braten eines ganzen Ochsen verbunden mit Restauration : [Plakat]

[1882]
  • [S.l.]

Attraktionen

Bis zum Zweiten Weltkrieg waren es weniger die Fahrgeschäfte, die den Festbetrieb abseits von Pferderennen, Schießen und Wirtsbetrieben prägten, als die Schaustellungen. Abnormitäten, Spiegelkabinette, Varieté- und Marionettentheater begeisterten die Besucher in einer Zeit vor dem Siegeszug der Massenmedien wie Film, Radio und Fernsehen.

Programmhefte, Führer oder andere gedruckte Werke brauchten ein "Papa" Michael August Schichtl (1851 - 1911) oder andere Schausteller dabei nicht; entsprechend wenig Hinterlassenschaften haben sich in den Beständen der Bayerischen Staatsbibliothek erhalten. So können an dieser Stelle lediglich drei kleine Hefte einen Einblick in vergangene Attraktionen bieten.

Ein Kind der Münchener Bohème waren die "Modernen Kunstausstellungen", die einige Male in den Jahren zwischen 1900 und 1907 auf dem Oktoberfest stattfanden. In ihnen parodierte eine junge Künstlergeneration rund um die Künstlergesellschaft "Allotria" den offiziellen Kunstbetrieb Münchens , der sich in den großen Ausstellungen im Münchener Glaspalast oder in der Münchener Secession präsentierte. Anstelle des Glaspalastes diente ein großes Ausstellungsgebäude an der Hauptallee der Festwiese, das sich architektonisch an Joseph Maria Olbrichs (1867-1908) "Krauthappel", dem Secessionsgebäude in Wien, orientierte; statt der großen Athenastatue im Glaspalast hielt der "Faltenhias von Giesing" als biertrinkender und Pfeife rauchender "Athenerich" am Eingang Wache. Innen parodierten mit viel Witz hergestellte "Kunstwerke" die Bilder und Statuen der Saison und waren, wie ihre großen Vorbilder, käuflich zu erwerben. Aus einem "Fische-Stilleben" von Franz von Lenbach (1836-1904) wurde etwa ein Hering mit der Notiz "dieser Prima-Delikateßhering wurde in der Handlung von Dallmayer gekauft und bei Grundsteinlegung der Oktoberfestausstellung verspeist".

Die wenigen erhaltenen Kunstwerke und Aufnahmen aus dem Ausstellungsgebäude lassen sich in der Regel nicht mit den Angaben in den erhaltenen gedruckten Katalogen in Einklang bringen, so dass nicht sicher ist, ob alles, was in den Heften aufgeführt war, auch wirklich als Ausstellungsstücke existiert hat; den damaligen Besuchern dürften die gedruckten Titel aber wahrscheinlich gereicht haben, um sich über die Anspielungen zu amüsieren, so wie ihnen die ausgestellten Werke auch ohne Aufführung im Katalog verständlich waren.

Hoch-Offizieller Katalog der III. modernen Kunstausstellung auf der Oktoberfestwiese, veranstaltet von jungen Münchener Künstlern : München, 1903, 20. September bis 4. Oktober

1903
  • München

Schaustellerpersönlichkeiten

Eine der umtriebigsten Schaustellerpersönlichkeiten auf dem Oktoberfest war der gebürtige Schlesier Karl Gabriel (1857 - 1931). Gabriel , Sohn eines Schaustellers und selbst gelernter Kunstschlosser und Mechaniker, kam 1892 nach München. 1894 richtete er zusammen mit dem Wachsmodellierer Emil Eduard Hammer das "Internationale Handels-Panoptikum und Museum" in der Neuhauser Straße/Ecke Färbergraben in München ein, dass bis zu seiner erzwungenen Schließung 1902 eine bekannte Attraktion war. Noch Jahre später sollte es Pate für Karl Valentins unglückliches Panoptikums-Experiment (1934/1935) stehen. Ab 1896 entdeckte Gabriel das Medium Film für sich. Er machte u.a. die ersten bekannten Filmaufnahmen in München (1902) und richtete ab 1905 in Berlin, München, Bochum, Passau und Augsburg permanente Filmtheater ein. 1913 errichtete er mit den "Sendlinger-Tor-Lichtspielen" den ersten Kinopalast Münchens. 1908 ließ er zur Eröffnung des neuen Ausstellungsgeländes oberhalb der Theresienwiese die erste Achterbahn Deutschlands errichten.

Auf dem Oktoberfest war Gabriel gemeinsam mit verschiedenen Partnern seit den 1890er Jahren mit zunehmenden Erfolg und bis zu fünf Unternehmungen pro Jahr tätig, zu denen Fahrgeschäfte (wie eine Hexenschaukel 1895 oder das erste Teufelsrad 1910) ebenso zählten wie Abnormitätenschauen; seit 1901 brachte er zudem regelmäßig Völkerschauen auf die Festwiese, die er meistens von anderen Unternehmern (wie Carl Hagenbeck in Hamburg) übernahm.

Ein Grund für den Erfolg Gabriels war neben einem sicheren Gespür für Attraktionen auch ein erfolgreicher Umgang mit Werbemedien; im Umkreis des Oktoberfestes dienten ihm dazu ebenso Plakate wie in großer Anzahl verteilte Werbekärtchen. Dazu inserierte er z. B. regelmäßig in den Festzeitungen für seine Attraktionen auf dem Festplatz (Beispiele von 1895 und 1926 ) oder auch für sein Panoptikum in der Innenstadt (Beispiel von 1896); zu den Völkerschauen ließ er Erläuterungshefte drucken, und jedes Jahr erschienen die "Illustrierte[n] Münchener Oktoberfest-Nachrichten der Unternehmungen Carl Gabriel's", die zum Teil in einer Auflage von 300 000 Stück erschienen. Geschickt wird in allen diesen Werbemitteln mit den Erwartungen des Publikums gespielt. Seien es Nervenkitzel, Exotik, ein unterschwelliges Betonen der "weißen" Überlegenheit oder auch eine (für die damalige Zeit) immer wieder angedeutete Erotik - verteilt auf seine verschiedenen Unternehmungen konnte Gabriel alle diese Sehnsüchte auf dem Oktoberfest bedienen.

Illustrierte Münchener Oktoberfest-Nachrichten der Unternehmungen Carl Gabriel 's 1925 : mit einem großen Plan der Festwiese und Führer durch die Schaustellungen

1925
  • München

Mitbringsel

Lebkuchenherzen, Papierblumen, Filzhüte ... die meisten Erinnerungsstücke, die Besucher vom Oktoberfest mitnahmen und -nehmen, sind von geringen Wert und geringer Überlebensdauer. Dauerhaftere Dinge, wie z. B. Bücher, gehören sicher sehr selten dazu. Ein Kinderbuch und ein Leporello mit Karikaturen aus der Sammlung der Bayerischen Staatsbibliothek könnten trotzdem durchaus ursprünglich als Mitbringsel und Erinnerung an das jeweilige Oktoberfest gedient haben.

Die satirisch-liebevollen Zeichnungen im Leporello von Henry Albrecht (1857-1909) bieten ein Panorama quer durch den Oktoberfestbetrieb: Von der Anreise in der überfüllten Pferdebahn über die Bierzeltstimmung beim Schottenham(m)el, Papa Schichtls Schaubude und die obligatorische Völkerschau bis hin zur Prämierung auf dem Landwirtschaftsfest, Festzug und Pferderennen. Ein ähnliches Panorama, wenn auch technisch und inhaltlich auf weit geringerem Niveau, entwirft Maria Massons Kinderbuch, das während der Weimarer Republik erschienen ist.

Bavaria und Ruhmeshalle

Schon im Oktoberfestbericht von 1810 forderte Andreas von Dall'Armi eine würdige Ausgestaltung der Theresienwiese, wobei ihm eine Anlage ähnlich der auf Befehl Napoleons I. 1805-1807 in Mailand errichteten Arena Civica vorschwebte (er ließ sogar einen entsprechenden Grundriss der Arena auf dem Plan der Theresienwiese in seiner Schrift einfügen). Diese Pläne wurden, trotz einer ersten, allgemein gehaltenen Subskriptionseinladung , vom Kronprinzen und späteren König Ludwig I. - bekannt sowohl als entschiedener Gegner Napoleons als auch als zuweilen sehr sparsamer Mensch - nicht aufgenommen.

Erst 1825 entschloss sich Ludwig, seine bis zum Jahr 1809 zurückreichenden Pläne für eine bayerische Ruhmeshalle als Pendant zur "gesamtdeutschen" Walhalla bei Donaustauf auf die Theresienwiese zu verlegen. Einen 1833 ausgerichteten Architekturwettbewerb konnte trotz erheblicher Schwierigkeiten Leo von Klenze (1784-1864) für sich entscheiden. Seine von Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) beeinflusste Idee, den Bau der Ruhmeshalle mit einer gegossenen Monumentalstatue der Bavaria - der ersten derartigen Riesenstatue seit der Antike - zu verbinden und die Gesamtkosten für das Projekt vergleichsweise niedrig zu halten, überzeugte den König.

Mit der Enthüllung der von Ludwig von Schwanthaler (1802-1848) gestalteten und von Ferdinand von Miller (1813-1887) gegossenen Statue 1850 und der Fertigstellung der Ruhmeshalle 1853 wurde das Ensemble zur zentralen baulichen Sehenswürdigkeit an der Theresienwiese. Um die Bedeutung des Baus zu verbreiten, erschienen bereits 1850 mehrere Erläuterungen und Beschreibungen, von denen hier die beiden wichtigsten von Robert Lecke (1805-1858) und Josef Anselm Pangkofer (1804-1854) präsentiert werden. Vor allem Pangkofers Büchlein scheint beliebt gewesen zu sein, da es eine deutlich erweiterte Neuauflage erlebte.

Die bayerische Ruhmeshalle und die Collossalstatue Bavaria, errichtet von Ludwig dem Ersten, König von Bayern

1850
  • Lecke, Robert
  • München

Bavaria, Riesenstandbild aus Erz vor der Ruhmeshalle auf der Theresienwiese bei München

1850
  • Pangkofer, Josef Anselm
  • München

Bavaria, Riesenstandbild aus Erz vor der Ruhmeshalle auf der Theresienwiese bei München

1854
  • Pangkofer, Josef Anselm
  • München